Tierschützer nerven: Ständig die gleichen Bilder blutig gerupfter Gänse, das immerwährende Gerede um Stopfleber, die andauernden Anklagen wegen Verstümmelungen von Schafen und der pausenlose Verweis auf Artenschutz beim Pelzkauf. Das kann einem die Lust auf hohe Mode und Fast Fashion gehörig verderben.
Gut, dass die Outdoor- Branche sich der Kritik der Tierschutzorganisationen stellt und Konsequenzen zieht. Tierschutz bei Daunenprodukten und Wolle ist 2016 ein Muss.
Es ist gar nicht lange her, da demonstrierten Tierschutzorganisationen wie Peta und Vier Pfoten gegen Outdoor-Hersteller wegen der Nutzung von Daunen aus Tierquälerei. Heute arbeiten Outdoor-Firmen mit Tierschutzorganisationen im Responsible Down Standard‘ (RDS) zusammen oder werden von ihnen, wie Fjällräven vom schwedischen Tierschutzverband Djurskyddet Sverige‘ oder Mountain Equipment vom englischen RSPCA, wegen ihrer Daunenpolitik gelobt.
Ein Wunder? Nein. Eher das Ergebnis von ernsthaften und nachhaltigen Bemühungen um den Tierschutz.
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Firmen, die sich wirklich Mühe geben, die Tierschutzrichtlinien bei der Beschaffung von Daunen oder Wolle relativ zügig umsetzen können. Es zeigt sich aber auch, dass Firmen, die das Thema nicht aufgreifen, sich tatsächlich auch einen Kehricht darum kümmern. Die beste Konsequenz:
Der Handel muss sich schlichtweg abstrafen. Wer als Händler gegenüber seinen Kunden glaubhaft auftreten will, sich differenzieren möchte von der Fast Fashion, der Modeindustrie oder den vielen Billigprodukten – nicht nur preislich, sondern auch qualitativ -, hat jetzt ein weiteres Thema: Daunen und Wolle aus tierfreundlicher, artgerechter Haltung.
Am Pranger: Stopfmast und Lebendrupf
Daunen sind für die Outdoor-Branche ein wichtiges Funktionsprodukt. Es gibt kein synthetisches Material, das es in puncto Gewichts-/Wärmeverhältnis mit Daunen aufnehmen kann. Grundsätzlich spricht auch nichts gegen Daunen – es sei denn, man will ein ganz anderes Fass auf- machen da diese im Normalfall ein Abfallprodukt der Fleischwirtschaft sind.
Obwohl sich weder Gänse noch Enten in Käfigen halten lassen, gibt es artgerechte Haltung und immer noch nicht-artgerechte Haltung, Artgerecht ist etwa, wenn die Tiere freien Zugang zu einem Gewässer haben, um schwimmen zu können. Vorallem zwei Bereiche stehen bei unethischer Daune ganz besonders in der Kritik: Lebendrupf und Stopfleber.
Bei Lebendrupf bekommen die lebenden Tiere ihr Daunenkleid ausgerissen, was extrem schmerzhaft ist. Lebendrupf wird gemacht, damit man von einem Tier drei bis vier „Ernten“ erfahren kann. Auch wenn dieses Argument pro Lebendrupf regelmäßig fällt: Lebendrupf hat nichts mit der Mauser zu tun, und die Daune aus Lebendrupf ist weder per se stabiler noch hochwertiger als die Daune aus Todrupf. Stopfleber (Foie Gras) gilt immer noch als eine Delikatesse.
Um diese Leber zu gewinnen, werden die Gänse jedoch zwei bis drei Mal täglich durch ein langes, bis in den Magen reichendes Rohr zwangsgefüttert. Bis Leber und Fleisch verfetten, vergehen etwa zwei Jahre. Das sei, wie es dazu immer wieder heißt, gut für die Daune, rechtfertigt dennoch nicht die Tierquälerei. Zumal Stopfmast und Lebendrupf oftmals kombiniert werden – zur Gewinnmaximierung der Gänsebetriebe. Apropos Gänse: Entendaunen kommen eigentlich immer aus Todrupf, und Stopfleber gibt es bei Enten auch nicht.
Daunenstandards machen die Unterschiede deutlich
Wenn wir heute über ethische Daunen reden, muss klar sein, dass Mountain Equipment und Fjällräven bereits vor acht, neun Jahren angefangen haben, die Herkunft ihrer Daunen zu kontrollieren und dies transparent zu machen. Mit dem Down Codex (Mountain Equiment) und dem Down Promise (Fjällräven) haben die beiden Pioniere weiterhin die strengsten Kontrollen und den lückenlosesten Herkunftsnachweis ihrer Daune.
Der Down Codex, der in Zusammenarbeit mit der R5PCA entwickelt wurde, ist weitaus strenger als gültiges EU-Recht und kontrolliert die gesamte Lieferkette von Aufzuchtbetrieben, Farmen, Schlachthäusern bis zu den Zulieferern durch das unabhängige International Down & Feather Laboratory (IDFL). Dabei bestimmt das Institut die folgenden Richtlinien:
- keine Zwangsmästung
- Lebendrupf und Mauserrupf sind ausgeschlossen
- Daunen sind ein Nebenprodukt der Nahrungsmittel-Produktion
- natürliche, artgerechte Lebensumgebung für Tiere
- keine Lösungsmittel bei der Reinigung der Daunen
- Kontrolle der Herkunfts- und Qualitätsprüfung
Fjällräven arbeitet nur mit einem Daunenlieferanten und einem Schlachtbetrieb, was die Transparenz und Kontrolle erleichtert. „Wir wissen bereits, wo die Eier gelegt werden, wie die Küken schlüpfen, wie sie aufwachsen, wie sie leben, was sie essen, wie sie transportiert werden, wie sie behandelt und wie sie geschlachtet werden,“ beschreibt Aiko Bode, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Fenix Gruppe, zu der Fjällräven gehört.
Kontrolliert wird dies durch einen unabhängigen schwedischen Veterinärbetrieb. Die IDFL kommt erst bei der Kontrolle und Überprüfung der Daune ins Spiel. Fjällrävens Down Promise gilt als weitreichendste Kontrolle und hat die höchste Rankingbewertung der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.
Immer mehr Marken folgen dem RDS-Standard
Der Responsible Down Standard (RD5) ist ein unabhängiger, freiwilliger, weltweiter Standard, der vor drei Jahren initiiert wurde. Antreiber und Mitinitiator aus der Outdoor-Branche war die Firma The North Face.
Schlüsselaspekte des RDS sind: Nur Todrupf, keine Zwangsfütterung, Einhaltung des Wohlbefindens der Tiere von der Schlüpfung bis zur Schlachtung, Kontrolle und Identifizierung der Daune, um eine Vermischung mit nicht RDS- zertifizlerter Daune zu vermeiden, unabhängige Überprüfung durch Dritte und nur 100 7» RDS-Daune darf das RDS-Logo tragen. Der RDS ist eine Multistakeholder-Inltiative aus Tierschutzgruppen, Experten, Firmen und Handelsorganisationen. Sie kontrolliert den Tierschutz und hat die Macht, Firmen bei Nichteinhaltung vom RDS auszuschließen.
Der RDS ist ein riesiger Schritt in die Umsetzung zur Benutzung von ausschließlich ethischer Daune, weil mit Textile Exchange erstmals eine global agierende Non-Profit-Organisation die Verantwortung über die ganze Liefer- und Wertschöpfungskette übernommen hat und mit Allied Feather & Down ein großer Lieferant von Daune an Bord ist.
Der Vorteil: Eine Firma kann beim RDS mitmachen, in dem sie auf diese Daune umsteigt und eine komplett kontrollierte Liefer- und Wertschöpfungskette einkauft. Die Möglichkeiten von Textile Exchange sind größer und schneller und der Druck auf alle Stufen der Lieferkette viel direkter, als wenn Firmen das selber umzusetzen versuchen.
Innerhalb eines Jahres – von 2013 auf 2014 – sind 150 Großfarmen in Asien und 250 Kleinbetriebe, hauptsächlich aus Europa, RDS-zertifiziert worden. Das ist wichtig, weil sich mittlerweile viele Firmen aus der Outdoor- Industrie für RDS-Daunen entschieden haben.
Bereits für die Sommersaison 2016 haben sich Black Diamond Equipment, C.A.M.P., Cascade Designs, Dynafit, Feathered Friends, Haglöfs, Kathmandu, Mammut, Nau, Outdoor Research, Rab, Salewa, The North Face und Vaude zu RDS-Daunen verpflichtet. Zur Wintersaison kommen mit Berghaus, Jack Wolfskin, Marmot, Montane und Rab weitere Topanbieter hinzu. Die nicht zertifizierte Daune gerät unter Druck – und lässt sich vermeiden.
Die unethische Wolle sollte jeden kratzen
Auch die Schafzucht ist heute eher Massentierhaltung als idyllische: Farmleben: Lebendtransporte, Schuren Im Akkord, bei denen Verletzung; – der Tiere in Kauf genommen werde‘ schmerzhafte operative Eingriffe 15 hin zum verbrämten Mulesing sind weit verbreitet. Tierschutz wird deshalb auch als umfassender Begriff gesehen. Die Kriterien sind als die „für Freiheiten“ bekannt:
- Freiheit vor Durst und Hunger
- Freiheit vor ernsthaften Verletzungen oder Krankheiten
- Freiheit vor unnötigem Schmerz oder Belastung
- Freiheit vor Unwohlsein und unangemessener Unterbringung
- Freiheit, normale Verhaltensmuster verfolgen zu können.
Aber ähnlich dem Lebendrupf kommt hier einem Aspekt besondere Bedeutung zu: dem Mulesing, einem Eingriff, bei dem den Tieren am Schwanz eine Hautfalte weggeschnitten wird, um das Einnisten von Fliegeneiern und Maden zu verhindern.
Obwohl fast alle Hersteller von Wollbekleidung darauf verweisen, dass sie nur Wolle aus Mulesing-freier Schafzucht verwenden, ist das Problem enorm. Nach Peta-Recherchen aus dem Jahr 2014 werden noch rund 93 % aller Schafe in Australien durch Mulesing verstümmelt. Dabei ist Australien der größte Produzent von Merinowolle.
Die Australian Wool Exchange hat zwar ein National Wool Declaration Integrity Program (NWD-IP), dieses unterscheidet aber noch zwischen Wolle declared mulesed, mulesed durch Schmerz reduzierende Verfahren sowie non-mulesed. Die Zahlen für Neuseeland, Argentinien, Südafrika und Uruguay geben dagegen Entwarnung.
Dazu kommt, dass Hersteller wie Smartwool, Icebreaker oder Patagonia ihre Merinowolle nicht an der Börse, sondern direkt über Farmen mit langfristigen Abnehmerverträgen kaufen. Das ist zwar teurer, aber die Schafzüchter sind langfristig abgesichert und die Industrie hat bessere Möglichkeiten, Einfluss auf die Farmen zu nehmen.
Ähnlich dem RDS etabliert sich gerade der Responsible Wool Standard (RWS) von Textile Exchange, wobei bei Wolle mit Zque bereits ein hochwertiger, unabhängiger Standard existiert. Die Hauptlieferanten neuseeländischer Wolle, The New Zealand Merino Company (NZM) und das Merino Advanced Performance Programme MAPP, garantieren heute bereits ausreichend ethische Wolle – wenn Firmen das auch wollen.
Dem Verbraucher ist der Tierschutz wichtig
Die meisten Hersteller sehen sich beim Thema Tierschutz nicht nur in der Pflicht, sie erkennen auch, dass das Thema für den Verbraucher, nicht nur bei Besitzern von Hunden oder Katzen, ein wichtiges Thema ist: „Es ist der richtige Weg, und unsere Kunden sowie die Verbraucher wollen das,“ findet Brad Boren, Director innovation and Sustainability von Norröna. Vor allem die mediale Präsenz der letzten Jahre habe den Endkunden „sensibilisiert“, sodass dieser „sich verstärkt nach Herkunft und Gewinnung der Daune erkundigt“, berichtet Marketing-Managerin Julia Bauer von Mountain Equipment Deutschland.
Das sieht auch Yeti so: „Auf jeden Fall“, heißt es da, und weiter: „Gerade bei hochpreisigen Produkten wird der Endverbraucher immer sensibler“, findet der ostdeutsche Daunenspezialist. Und Montane macht sogar die Erfahrung, dass es Händler gibt, „für die gute Standards mittlerweile ein K.0.-Kriterium sind“. Während für Smartwool der Tierschutz wichtig ist, haben die Amerikaner aber die Erfahrung gemacht, dass „die Nachhaltigkeitsstandards und das Tierwohl für den Endkunden beim Kauf eine untergeordnete Rolle“ spiele. Eine Erfahrung, der auch Bauer beipflichtet: „Entscheidend beim Kauf sind am Ende dennoch die Optik und der Preis des Produktes.“
Immerhin: Ihrer Erfahrung nach seien Kunden gewillt, „bis zu 15 % mehr für ein zertifiziertes Produkt zu zahlen“. Marmot sieht zwar das „Interesse der Endkunden an nachhaltigen Produkten steigen“ und vermutet auch Auswirkungen auf das Kaufverhalten, möchte es aber genauer wissen. „Wir betreuen derzeit in Kooperation mit der Universität Bayreuth eine Masterarbeit, die genau dieser Frage auf den Grund gehen soll“, erklärt Verkaufsleiter Marc Wächter.
Jesper Rodig, Verkaufsleiter bei Woolpower, sieht beim Thema Stan-dards noch ein weiteres Problem. „Die Zahl der Standards nimmt stetig zu, und der Verbraucher läuft Gefahr, von der Vielzahl der Standards überrollt zu werden. Woolpower verfolge deshalb die Entwicklung zum RWS aufmerksam, so Rodik. Auch in dieser Hinsicht sind die universellen Standards RDS und RWS ein Schritt in die richtige Richtung.
Last modified: 26. Juli 2024
Ein sehr wichtiger Artikel! Vielen Dank dafür.
Ich muss zugeben, ich habe selbst sehr oft die Augen über Tierschützer verdreht, und habe mich gefragt, warum die so ein Drama machen, so schlimm sei das doch gar nicht. Bis ich dann ein PETA-Video über Stopfleber gesehen habe. Seitdem tun mir die Tiere so leid und ich schaue wirklich zweimal hin, bevor ich Fleisch esse, oder mir eben eine Daunenjacke kaufe. Gut, dass so viele Firmen mittlerweile Wert darauf legen, dass es den Tieren gut geht!
Hi Julia,
da hast du vollkommen Recht. Ich habe neulich im Keller meine Oma ca. 20 Pelzmäntel gefunden – grauenhaft sowas! Man die Frau aber auch nciht beschuldigen, weil früher waren es einfach andere Zeiten. Ich habe dann das einzig richtig gemacht: Alle Mäntel verkauf und an eine Tierschutzorganisation gespendet. Hat sich gut angefühlt!
LG